Die Kindesanhörung in der Schweiz: Viel Luft nach oben

Obwohl Kinder und Jugendliche ein Recht auf Anhörung in Verfahren, die sie betreffen haben, wird häufig auf eine Kindesanhörung verzichtet. Mit den beiden neuen Publikationen – einem Leitfaden für Fachpersonen und einer Informationsbroschüre für Kinder und Jugendliche – versuchen UNICEF Schweiz und Liechtenstein und das Marie Meierhofer Institut für das Kind, diese Lücke zu schliessen und für das Thema zu sensibilisieren.

Kindesanhörung in der Schweiz

Kinder und Jugendliche haben das Recht, in allen sie betreffenden Gerichts- und Verwaltungsverfahren angehört zu werden. Dieses Recht wird nicht nur von der Kinderrechtskonvention (Artikel 12) anerkannt, sondern auch vom Zivilgesetzbuch (Artikel 314a) und der Zivilprozessordnung (Artikel 298).

Man könnte meinen, dass durch diese breite rechtliche Absicherung alles in Ordnung ist. Leider ist dem nicht so. Studien zeigen, dass die Umsetzung der Kindesanhörung in der Schweiz unzureichend ist und kantonale Unterschiede bestehen. Lediglich 10% der Kinder, denen eine Anhörung zusteht, werden tatsächlich angehört. Auch der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen attestiert der Schweiz Versäumnisse in Hinblick auf die Kindesanhörung.

Gerade in emotional schwierigen und entscheidenden Lebenssituationen, wie zum Beispiel bei einer Scheidung oder Fremdplatzierung, ist es besonders wichtig, dass Kinder und Jugendliche nicht vergessen werden. Ihre Meinungen und Bedürfnisse müssen ernst genommen und in den Entscheidungsprozess einfliessen. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass dem Willen von Kindern und Jugendlichen immer entsprochen werden muss. «Oberste Richtschnur bei Entscheiden ist stets das Kindeswohl. Wesentlich dabei ist aber, Kinder und Jugendliche altersgerecht einzubeziehen und aufzuklären, besonders auch wenn gegen ihren Willen entschieden werden muss. Die Kindesanhörung ist ein essentielles Instrument, um die Partizipation von jungen Menschen zu gewährleisten», betont Bettina Junker, Geschäftsleiterin von UNICEF Schweiz und Liechtenstein.

Kinder in Verfahren aktiv einzubeziehen und ihre Meinung ernst zu nehmen ist aber leichter gesagt, als getan. Deshalb hat UNICEF Schweiz und Liechtenstein gemeinsam mit dem Marie Meierhofer Institut für das Kind zwei neue Publikationen erarbeitet:

Beide Publikationen sind auf Deutsch, Französisch und Italienisch kostenlos bestellbar und stehen als Download zur Verfügung: Publikationen | unicef.ch