Sudan: Zehntausende Kinder in Lebensgefahr

Statement von UNICEF-Sprecher James Elder bei der heutigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf.

© UNICEF/UNI436328/Awad
Am 13. September 2023 besucht der UNICEF-Sprecher James Elder den von UNICEF unterstützten kinderfreundlichen Raum im Lager Abnaa Al-Shamal für Binnenvertriebene in Port Sudan, Sudan.

«Angesichts der grausamen Angriffe ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und der unerbittlichen Angriffe auf die Gesundheits- und Ernährungsdienste im Sudan befürchtet UNICEF, dass viele Tausend Neugeborene bis Ende des Jahres ihr Leben verlieren werden. 

Zwischen Oktober und Dezember werden im Sudan schätzungsweise 333 000 Kinder geboren. Sie und ihre Mütter benötigen dringend Zugang zu angemessenen Geburtshilfen. In einem Land, in dem Millionen von Menschen entweder in umkämpften Gebieten ausharren oder aus ihrem Zuhause vertrieben wurden und in dem ein gravierender Mangel an medizinischer Versorgung herrscht, wird eine solche Versorgung jedoch von Tag zu Tag unwahrscheinlicher.

Auch Ernährungsdienste sind zusammengebrochen. Rund 55.000 schwer mangelernährte Kinder sind jeden Monat auf eine lebensrettende Behandlung angewiesen. Jedoch ist in Khartum weniger als eines von 50 Ernährungszentren funktionsfähig, in West-Darfur ist es nur eines von zehn.

Offiziellen Angaben zufolge wurden bei den Kämpfen im Sudan insgesamt 435 Kinder getötet. Angesichts der völligen Zerstörung der lebensrettenden Grundversorgung, auf die Kinder angewiesen sind, befürchtet UNICEF, dass die Zahl der Kinder, die ihr Leben verlieren werden, so hoch sein könnte wie nie zuvor. Je länger der Konflikt andauert und je geringer die finanziellen Mittel für die humanitäre Hilfe sind, desto verheerender sind die Auswirkungen. Das wird der Preis sein, wenn wir nicht handeln. 

Ich bin gerade aus dem Sudan zurückgekehrt. Ich kann nicht beschreiben, wie viele Menschen uns um Unterstützung gebeten haben. Lehrpersonen, Händlerinnen und Händler, Architektinnen und Architekten und vor allem schwangere Frauen – sie alle wurden aus ihrem Zuhause vertrieben. Familien, die verängstigt und hungrig sind und all ihr Hab und Gut zurücklassen mussten.

Frauen und Mädchen werden auf ihrer Flucht terrorisiert. Es mehren sich Berichte, dass Kinder von bewaffneten Gruppierungen rekrutiert werden. Der Sudan ist heute einer der gefährlichsten Orte für humanitäre Helfer*innen. 
Trotz der Risiken und der eklatanten Missachtung, die Zivilbevölkerung zu schützen, leisten UNICEF und seine Partner in allen 18 Staaten des Sudan Hilfe für Kinder, auch in den Krisengebieten. Gemeinsam mit seinen Partnern hat UNICEF seit Beginn des Konflikts 5,1 Millionen Menschen mit medizinischen Hilfsgütern versorgt, 2,8 Millionen Menschen mit sauberem Trinkwasser erreicht, 2,9 Millionen Kinder auf Mangelernährung untersucht, 300 000 Mütter und Haushalte mit Bargeld versorgt, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken, und mehr als 282 000 Kinder und Betreuende mit psychosozialer Hilfe sowie Lernangeboten und Schutzmassnahmen unterstützt.

Doch wir benötigen mehr finanzielle Mittel. UNICEF benötigt 838 Millionen US-Dollar, um Kindern im Sudan zu helfen. Doch dieser Nothilfeaufruf ist bisher nur zu 25 Prozent finanziert. Eine solche Finanzierungslücke wird Leben kosten.  

Finanzielle Mittel für die soziale Grundversorgung von Kindern sind stark rückläufig. Wenn UNICEF und unsere UN-Partner nicht in der Lage sind, zusätzliche Unterstützung zu mobilisieren, könnte dies zum Zusammenbruch der sozialen Grundversorgung im Sudan führen.

Gesundheitshelfende, Ärztinnen und Ärzte, Lehrpersonen, Sozialarbeiterende haben seit Monaten kein Gehalt mehr erhalten. Und dennoch sind sie weiter im Einsatz, weit über normale Arbeitszeiten hinaus. Eine Ernährungsexpertin sagte mir: «Es sind Kinder, die in diesem Krieg leiden, und solange wir helfen können, werden wir dies auch tun». Und trotzdem reicht ihr Engagement nicht aus, um die schnell zur Neige gehenden Vorräte an Hilfsgütern aufzufüllen oder zerstörte Krankenhäuser zu reparieren.

Darüber hinaus machen wir uns grosse Sorgen, dass Schulen im Sudan nicht wieder öffnen. Kinder im Sudan sind mit einer der grössten Bildungskrisen der Welt konfrontiert: Mehr als sieben Millionen Kinder gehen nicht zur Schule. Rund 12 Millionen warten darauf, dass die Schulen wieder öffnen. Für Kinder bedeutet Schule mehr als nur das Recht auf Bildung. Schulen sind auch ein Ort, an dem Kinder vor Gefahren geschützt werden – einschliesslich Missbrauch, Ausbeutung und Rekrutierung in bewaffnete Gruppierungen. Sollte der Konflikt dazu führen, dass Schulen geschlossen bleiben, wird dies verheerende Auswirkungen auf die Entwicklung und das psychosoziale Wohlbefinden der Kinder haben.

Natürlich sind weitere Anstrengungen nötig, um diesen Krieg zu stoppen. Aber da die sinnlosen Angriffe auf die Zivilbevölkerung und die zivile Grundversorgung weitergehen, braucht UNICEF dringend finanzielle Unterstützung und einen sicheren und ungehinderten Zugang zu Kindern in Not.»